Illustration of person relaxing on phone
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Fabio Schmuki

Insights

6. November 2016

«Du bist heimlifeiss.» – «Ähm, danke?»


Würden Sie sich als «heimlifeiss» bezeichnen? Und was bedeutet das dann? Die Meinungen gehen weit auseinander.

Letzthin wurde ich im Freundeskreis als heimlifeiss bezeichnet. Das sei eine Beleidigung, befand jemand sofort. Dabei hatte ich das Kompliment doch dankend annehmen wollen.


Einige Wörter verwenden wir mit grösster Selbstverständlichkeit, obwohl sie keine klare Bedeutung haben. Mehrdeutigkeit; der Juristin ein Graus, dem Texter ein Stilmittel. Das beste Beispiel: «grundsätzlich». Für die einen bedeutet es «immer», für die anderen «in der Regel», also eben nicht immer.


Heimlifeiss ist ein besonders schönes Exemplar. Nicht einmal über die grobe Konnotation besteht Einigkeit. Ist es gut oder schlecht, heimlifeiss zu sein? Und was bedeutet es überhaupt genau?


Im Supertext-Team sorgte die Frage natürlich für Diskussionen. Verschiedenste Bedeutungen stehen zur Debatte:


  • Schlitzohrig sein (positiv konnotiert)
  • Mehr können, als man meinen würde (positiv konnotiert)
  • Immer noch einen Pfeil im Köcher haben (positiv konnotiert)
  • Mehr haben, als man zeigt (neutral konnotiert)
  • Geheimniskrämerisch sein (negativ konnotiert)
  • Bewusst verheimlichen/verschweigen (negativ konnotiert)
  • Ein «manipulativer, backstabbing bastard» sein (selbsterklärend)

Das schreit nach Aufklärung.


Alles eine Frage der Absicht


Der klassische Mundartausdruck setzt sich aus den beiden Teilen «heimli» (heimlich) und «feiss» (feist, fett) zusammen. Ursprünglich wurde der Begriff denn auch vor allem auf Geissen (Ziegen) angewandt, die mit magerem Aussehen trotz hohem Fettgehalt auffallen.


Bald wurden auch Menschen als heimlifeiss bezeichnet. Und zwar nicht wegen ihrem Körpervolumen, sondern vor allem dann, wenn sie ihren Reichtum nicht zeigten. Von da an nahm die Deutung ihren Lauf: Von «verschwiegen und durchtrieben sein» (negativ) bis «mehr können, als man erwarten würde» (positiv).


Heute wird der Begriff ambivalent eingesetzt. Jemand, der heimlich für sich selbst sorgt, wird gleichzeitig für seine Fähigkeiten bewundert und für die Geheimniskrämerei verachtet. Und das, obwohl der Duden den Begriff klar negativ behaftet darstellt.


Ob die Bezeichnung heimlifeiss als Beleidigung oder Kompliment aufgefasst werden muss, liegt also vor allem an der Absicht seiner Absender:innen.


Titelbild via unsplash

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